Fehler im Bericht im „Focus“ über Klinefelter

Zum Thema Männergesundheit beim „Focus“ am 17.09.2018:

Dementsprechend sind vor allem Männer gefährdet, die etwas mehr Östrogen bilden, etwa, weil sie genetisch bedingt ein X-Gen mehr besitzen.

X-Chromosom, nicht X-Gen.

Ihr Chromosomensatz enthält statt XY ein XXY. Die Fachbezeichnung für diese vererbbare Genveränderung heißt Klinefelter-Syndrom. Die äußeren Anzeichen dafür sind ein leicht weiblicher Brustansatz, kleine Hoden und häufig Unfruchtbarkeit.

Widerspruch! Wie kann etwas vererbbar sein, wenn eines der Hauptsymptome Unfruchtbarkeit ist? Tatsächlich wird das Klinefelter-Syndrom NICHT vererbt, sondern entsteht zufällig, weil während der Meiose die Fortpflanzungszellen nicht getrennt werden. Das zusätzliche X-Chromosom kann von Vater oder Mutter kommen.

Zum Erscheinungsbild ist zu sagen, dass erstens Unfruchtbarkeit kein äußeres Anzeichen ist und der weibliche Brustansatz je nach Datenerhebung nur bei 40-80% der Betroffenen vorkommt (in der Fachsprache Gynäkomastie genannt). Kleine Hoden sehen gewöhnlich nur der Arzt, der Partner oder man selbst – so gesehen sind Klinefelter-Männer auf den ersten Blick nicht von XY-Männern unterscheidbar!

Weitere äußerliche Anzeichen sind weibliche Hüften, lange Beine, feingliedrige Hände, Hochwuchs (viele Basketballer sollen das Klinefelter-Syndrom haben). Die wichtigsten inneren Anzeichen sind ein niedriger Testosteronspiegel und gleichzeitig erhöhte FSH- und LH-Werte im Blut.

Eine frühzeitige Behandlung mit männlichen Hormonen ermöglicht trotzdem, dass Kinder gezeugt werden können.

Grundsätzlich hemmt künstliche Testosteronzufuhr die Spermienproduktion, deswegen ist diese Aussage so in Frage zu stellen. Die Spermienproduktion nimmt nach der Pubertät ab. Eine strikte Grenze, ab der es gar nicht mehr geht, gibt es nicht, bisher las man aber häufig, dass es nach dem 30. Lebensjahr deutlich schwieriger wird.

Die Testosteronbehandlung (ohne Aromatase-Hemmer) sollte für mindestens 3-6 Monate unterbrochen werden, damit sich die verbleibende Spermienbildung erholen kann.

Quelle: Nieschlag E., Klinefelter Syndrome, Dtsch Arztebl Int. ,May 2013, 110 (20): 347-353

Weiters sollte frühzeitige Behandlung dahingehend differenziert werden, ob es sich um spätdiagnostizierte Erwachsene (Normalfall) oder schon im Kindesalter diagnostizierte Betroffene handelt. Bei Kindern sollte man immer in Betracht ziehen, dass Intersexualität und Transgenderformen präsent sein können, wo eine männliche Hormontherapie kontraproduktiv ist. Eine Häufung bei XXY-Männern ist zwar nicht nachgewiesen, es gibt aber bekannte Einzelfälle. Betrifft später natürlich auch Erwachsene, die aber selbst entscheiden können. Außerdem kann bei Männern mit AIS (Androgen Insensitivity Syndrom) die Testosteronbehandlung aufgrund Resistenz gegen die Wirkung des Hormons nicht anschlagen.

„Die meisten Betroffenen wissen, dass sie das Klinefelter-Syndrom haben“, sagt Bernhard Wörmann.

Die meisten Betroffenen wissen es NICHT! Die Dunkelziffer liegt bei 70%. Eben weil es äußerlich so unauffällig ist, wird es oft nicht erkannt. Oftmals sogar erst bei unerfülltem Kinderwunsch. Jene ohne Kinderwunsch erfahren es vielleicht nie.

Allerdings würden viele von ihnen nicht wissen, dass sie damit ein 20- bis 60fach höheres Risiko für Brustkrebs haben, im Vergleich zu Männern mit einem XY-Chromosomensatz. Auch viele Ärzte kennen diesen Zusammenhang oft nicht.

Nur Betroffene mit Gynäkomastie haben ein signifikant erhöhtes Risiko für Brustkrebs!

The dominant symptom is the painless formation of a nodule in the chest. It seems that breast cancer will occur more often whenever there has been a preexisting condition of gynecomastia [13]. Prospective studies dealing with this subject are not available. Gynecomastia belongs to the clinical symptoms in up to 40 percent of all men with Klinefelter syndrome [14].

Quelle: https://www.onkopedia-guidelines.info/en/onkopedia/guidelines/klinefelter-syndrome-and-cancer/@@view/html/index.html#litID0EZAAE