In dieser Studie von 2009 hat man 46 XXY-Männer, die mit Testosteron behandelt werden, über ihre Lebensqualität befragt, 40 haben eine Rückmeldung gegeben. Die Fragebögen beinhalten Alter, Bildungsniveau und Dauer der Behandlung.
Der sogenannte RAND-36-Fragebogen (RAND = Research and Development) beinhaltet neun 9 Subskalen, die folgende Eigenschaften evaluieren:
- körperliche Einschränkungen im Alltag
- soziale Einschränkungen aufgrund von gesundheitlichen Problemen
- Einschränkungen in der Arbeit oder Alltagsaktivitäten, die aus körperlichen Problemen resultieren
- ähnliche Einschränkungen, die von emotionalen Problemen kommen
- seelische Gesundheit
- Lebensfreude
- Schmerzen
- allgemeine Wahrnehmung der Gesundheit
- gesundheitliche Änderungen
Höhere Werte bedeuten höhere Lebensqualität (QoL).
Das Durchschnittsalter der befragten XXY betrug 46 (34-58) Jahre , 23 % nahmen Testosteronspritzen, 8 % oral und 70 % Gel, die Dauer der Behandlung betrug 12,6 Jahre.
Wenig überraschend ist die Lebensqualität bei höher gebildeteten XXY größer als bei niedrigerer Bildung. Interessanterweise ist auch die der XXY höher, die Testosteron oral oder per Injektion aufnehmen, die der Gel-Benutzer ist am niedrigsten.
Die einzelnen Werte (siehe oben) des RAND-Fragebogens für Klinefelter (XXY) und Kontrollpersonen, die Lebensqualität ist generell herabgesetzt.
Diskussion:
Nach einer durchschnittlichen Dauer von 12,6 Jahren Testosteronbehandlung sollten die körperlichen Auswirkungen von Testosteronmangel weitgehend beseitigt worden sein. Unabhängig von der Behandlung treten bei XXY-Männern häufiger bestimmte Krankheitstypen auf, allerdings kamen diese Diagnosen kaum in dieser Studie vor und erklären die insgesamt niedrigere Lebensqualität nicht. Das körperliche Unbehagen spiegelt vermutlich ein allgemein niedrigeres Wohlbefinden wieder, das aus psychischen und sozialen Problemen resultiert. Vorhergehende Studien haben in der Tat gezeigt, dass XXY-Männer eher Schwierigkeiten haben, Emotionen zu erkennen und selbst auszudrücken, zudem erscheinen sie emotional leichter erregbar. Die selben Forscher berichten außerdem von einer erhöhten Häufigkeit psychiatrischer Störungen im Vergleich zur Normalbevölkerung.
Das Alter und der Bildungsgrad der Kontrollpersonen war ungefähr vergleichbar mit jenen der XXY-Männer. Weshalb XXY-Männer mit höherer Bildung eine höhere Lebensqualität aufweisen, kann einerseits an einer besseren Vorsorge liegen, um mit den Spätfolgen zurechtzukommen, andererseits auch einem weniger stark ausgeprägtem Phänotyp, der wiederum einen späteren Beginn der Behandlung nach sich zieht. Bildungsgrad und Beginn der Therapie zeigten in dieser Studie aber keine signifikanten Abhängigkeiten.
Überraschenderweise berichteten die Nutzer von Testosterongel deutlich niedrigere Lebensqualität als solche mit Einnahme über den Mund oder Spritzen. Nur 3 von 40 XXY-Männern benutzten orale Präparate, 9 von 40 Injektionen. Da die KS-Patienten in dieser Studie nicht bezüglich Art der Behandlung zufällig zugeteilt wurden, ist es unmöglich, Schlussfolgerungen bezüglich einem kausalen Zusammenhang zu ziehen. Testosterongel wurde als sicher und efektiv getestet und hält den Testosteronspiegel bei der Mehrheit der Nutzer stabil. Die Autoren spekulieren, dass manche Patienten zu Testosterongel wechselten, als dieses in den Niederlanden erstmals verfügbar wurde (2003), als Versuch, die psychischen oder körperlichen Beschwerden zu erleichtern, die dem Gebrauch von Spritzen oder oraler Einnahme zugeschrieben wurden.
Einschränkungen der Studie:
- Obwohl angenommen wird, dass die Testosteronbehandlung einen positiven Effekt auf die Lebensqualität von Klinefelter-Patienten mit niedrigem Plasmatestosteronspiegel hat, konnte dieser Effekt nicht quantizifiert werden, da keine unbehandelte Klinefeltergruppe einbezogen wurde.
- Alle Teilnehmer befanden sich unter aktiver Aufsicht der Klinik und erhielten eine optimale Versorgung. Allerdings wurde die Angemessenheit der Behandlung während der Studie nicht durch biochemische Messungen wie Plasmatestosteronwerte bestätigt.
- Die Anzahl der studierten Klinefelterpatienten war relativ klein und die Patienten wurden von einer Spezialklink, zu der man nur via Überweisung kommt, ausgesucht, das wahrscheinlich eher problematische Patienten anzieht. Deswegen müssen die Ergebnisse dieser Studie mit einer heterogenen Klinefeltergruppe bestätigt werden.
Zusammenfassung:
Patienten mit Klinefelter-Syndrom haben eine niedrigere Lebensqualität. Sie berichten häufiger über körperliche, emotionale und soziale Probleme als in der Allgemeinbevölkerung. Unsere Ergebnisse unterstützen die Annahme nicht, dass diese Probleme nach dem Beginn der Testosteronbehandlung verschwinden. Möglicherweise schieben Klinefelter-Patienten ihr geringeres Wohlbefinden eher auf körperliche Ursachen, da sie Probleme haben, Emotionen zu äußern.
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Im September 2009 gabe die Autoren Morris, Jackson und Hancock von der University of the West of England eine Studie in Auftrag, die die psychologischen und sozialen Auswirkungen des Klinefelter-Syndroms untersuchte, und zwar für die britische Klinefelter-Vereinigung (KSA).
Zwei Studien wurden ausgetragen: Eine befasste sich mit den subjektiven Erfahrungen der XXY-Männer, die andere mit objektiver Einschätzung des psychischen Leidens und der Lebensqualität.
Studie 1:
7 untergeordnete Themen spielten bei allen Befragungen eine Rolle: Diagnose, Testosteron/Behandlung, gesundheitliche Probleme, Auswirkung, Selbstidentität, Beziehungen, Schule und Bildung.
3 Hauptthemen wurden identifiziert: Diagnose und Umgang mit KS, Das Selbst, Ich, KS und die anderen.
Während der Analyse stellte sich 1 zentrales Thema heraus: emotionale Auswirkungen
Studie 2: 300 Teilnehmer wurden per Post kontaktiert, 62 antworteten.
60 % der Teilnehmer litten unter einer Angststörung und 34 % hatten klinisch signifikante Depressionen. Es existieren Unterschiede zwischen dem, was die Teilnehmer als Teil von Klinefelter erkennen und der Liste an Symptomen , die die medizinische Community erkennt. Beispielsweise werden in der medizinischen Literatur Stimmungsschwankungen, Kopfschmerzen und Müdigkeit üblicherweise nicht erwähnt. Die Daten deuten an, dass mit Klinefelter verbundene Symptome einen deutlichen negativen Einfluss auf psychosoziale Funktionen haben können, besonders im Hinblick auf die Lebensqualität.
Die Ergebnisse der Befragungen über den Lernstil deuten an, dass die Hälfte der Studienteilnehmer es vorzieht, genügend Zeit zu haben, um über neue Informationen nachzudenken. 63 % bevorzugen Informationen in geschriebener Form.
Schlussfolgerungen:
Bis zur Diagnose dauert es oft lange, und der Testosteronmangel kann weitreichende negative Auswirkungen auf die betroffenen Individuen haben.
Manche Klinefelter hadern mit ihrer Identität (feminin/intersexuell).
Niedriges Selbstwertgefühl war mit erhöhter Neigung zu allgemeinen Angststörungen und Depressionen verbunden, damit mit erhöhter Soziophobie und erniedriger Lebensqualität. Das Gegenteil wurde auch beobachtet.
Die Auswirkungen von Klinefelter können als Dominoeffekt beschrieben werden, wo Symptome, Identität, Selbstwert und psychologischer Stauts die Dominosteine darstellen. Diese Steine können zu kippen beginnen, wenn das Alter, die Reaktionen anderer Leute oder Erfahrungen mit Medizinern zum Tragen kommen.